L 2 U 312/06 | Sozialgerichtsbarkeit Bundesrepublik Deutschland (2024)

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. September 2006 wird betreffend den Zeitraum vom 5. Juli 2000 bis 30. April 2004 zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten nach Erledigungserklärung im Übrigen noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Bescheinigung über die jährliche Gesamthöhe seiner Verletztengeld- und Übergangsgeldansprüche, aus denen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung zu entrichten waren, für den Zeitraum vom 05. Juli 2000 bis 30. April 2004 zu erteilen.

Am 30. September 1997 erlitt der 1979 geborene Kläger einen Arbeitsunfall während seiner Ausbildung zum Wasserbauer, als er aus einem Internatszimmer im ersten Stock, in das er eingeschlossen worden war, sprang, um rechtzeitig den Unterricht zu erreichen und sich dabei einen Verrenkungsbruch des rechten oberen Sprunggelenkes und einen Stauchungsbruch des rechten Schienbeins sowie Verletzungen zweier Zähne zuzog.

Die am 01. August 1996 begonnene Ausbildung zum Beruf des Wasserbauers schloss er am 09. Juli 1999 ab. Vom 10. Juli 1999 bis zum 15. März 2000 war er arbeitslos. Vom 16. März bis 23. Mai 2000 arbeitete er beim Wasser- und Schifffahrtsamt C, ab dem 24. Mai 2000 erkrankte er wegen der Unfallfolgen arbeitsunfähig. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 31. März 2002 gekündigt.

In der Folge gewährte die Beklagte zunächst Verletztengeld während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zum 27. Oktober 2002.

Vom 28. Oktober 2002 bis zum 31. Januar 2003 nahm er an einem Rehabilitations-vorbereitungslehrgang für eine in Aussicht genommene Umschulung zum Steuerfachangestellten teil. Ab dem 03. Februar 2003 schloss sich die eigentliche Ausbildung zum Steuerfachangestellten an, die mit Ablauf des Monats Januar 2005 beendet sein sollte. Für diesen Zeitraum bezog der Kläger Übergangsgeld bis zur bestandenen Prüfung am 18. Januar 2005.

Sowohl das Verletztengeld als auch das Übergangsgeld wurde im Auftrag der Beklagten von der jeweils zuständigen Krankenkasse des Klägers ausgezahlt. Dabei handelte es sich bis zum 30. April 2004 um die BKK der Partner, Rechtsnachfolgerin der Curania BKK, und ab dem 01. Mai 2004 um die Taunus BKK, deren Rechtsnachfolgerin die BKK Gesundheit ist.

Mit einem Schreiben vom 21. November 2003 wandte sich der Kläger an die Beklagte und teilte mit, seine gesetzliche Rentenversicherung habe ihn darüber informiert, dass für die Zeit ab 2002 vom Unfallversicherungsträger keine Rentenversicherungsbeiträge für Zeiten des Bezuges von Verletzten- bzw. Übergangsgeld gemeldet worden seien. Er bitte um Aufklärung über den Verbleib der Beiträge und eine entsprechende Meldung. Die Curania BKK teilte dem Kläger mit Schreiben vom 14. Februar 2004 mit, dass die Meldung der Entgeltersatzleistungen per Datenträger erfolge, so dass anstelle einer Bescheinigung nur der Datenausdruck übersandt werden könne.

Mit Bescheid vom 21. September 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie entgegen seiner Auffassung von einer Erfüllung der Meldepflichten gemäß § 28 a Abs. 1 und Abs. 5 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (SGB IV) ausgehe. Sie habe dem Kläger die Mitgliedsbescheinigung der neuen Krankenkasse (BKK Taunus) übersandt. Mithin gehe sie davon aus, dass eine den materiellen Anforderungen genügende Mitteilung an die Krankenkasse des Klägers, die diesem mit gleich datiertem Schreiben vom 07. April 2004 zur Kenntnis gegeben worden sei, ausreichend zur Erfüllung der Verpflichtungen zur Meldung gewesen sei.

Bezüglich der ersichtlich nicht den Widerspruchsgegenstand darstellenden Jahresmeldung, insbesondere im Hinblick auf § 28 a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 b und c SGB IV werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sowohl die Curania als auch die Taunus BKK jeweils in ihrer Eigenschaft als Beauftragte der Beklagten gemäß § 189 Sozialgesetzbuch/Siebtes Buch (SGB VII) i. V. m. §§ 88 ff. Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) ersucht worden seien mitzuteilen, ob sie den dem Kläger gegenüber bestehenden Verpflichtungen zur Meldung nachgekommen seien. Gegebenenfalls hätten die Krankenkassen dies dem Kläger gegenüber nachzuholen, worauf die Beklagte hinzuwirken habe.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben und zunächst die Erteilung einer Meldebescheinigung nach § 28 a SGB IV i. V. m. § 25 Datenerfassungs- und Übermittlungsverordnung (DEÜV) beantragt.

Das Sozialgericht hat zunächst darauf hingewiesen, dass es die Erfüllung der Meldepflichten einer Regelung durch Verwaltungsakt nicht für zugänglich halte. Weiter halte es eine förmliche Meldung nach § 28 a Abs. 1 und 2 SGB IV für überflüssig, da die Krankenkassen als Beauftragte für die Auszahlung des Verletzten- und Übergangsgeldes bereits über die nötigen Daten verfügten und deshalb nicht verpflichtet sein könnten, eine förmliche Meldung an sich selbst zu erstatten. Es hat die Beteiligten außerdem darauf hingewiesen, dass dem Informationsanspruch des Klägers im Sinne des § 28 a Abs. 5 SGB IV dennoch Genüge getan werden müsse, was bisher nicht geschehen sei, da die beteiligten Krankenkassen der Beklagten selbst mitgeteilt hätten, dass es erhebliche Schwierigkeiten bei der Berechnung und Auszahlung der Leistungen an den Kläger gegeben habe (vgl. z. B. handschriftlicher Vermerk Bl. 996 Verwaltungsakte). Weitergehend hat es die Beteiligten darauf hingewiesen, dass nicht nur die Meldung im Hinblick auf einen Wechsel der Krankenkasse des Klägers streitgegenständlich sei, sondern im Wege einer sachdienlichen Klageänderung auch die erforderliche Jahresmeldung im vorliegenden Verfahren erstritten werden könne.

Der daraufhin vom Kläger geänderten Klage hat das Sozialgericht Berlin stattgegeben und die Beklagte mit Urteil vom 22. September 2006 verpflichtet, dem Kläger für die Jahre 2000 bis 2005 die jährliche Gesamthöhe seiner Verletztengeld- und Übergangsgeldansprüche, aus denen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung zu entrichten waren, schriftlich mitzuteilen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe gemäß § 28 a Abs. 5 SGB IV einen Anspruch gegen die Beklagte, schriftlich über die zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung beitragspflichtige jährliche (Brutto )Höhe des ihm von der Beklagten im Zeitraum vom 05. Juli 2000 bis 18. Januar 2005 gewährten Verletztengeldes bzw. ab dem 28. Oktober 2002 Übergangsgeldes informiert zu werden. Die Beklagte habe sich bisher zu Unrecht geweigert, diesen Informationsanspruch zu erfüllen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Beklagte nicht verpflichtet gewesen sei, den Krankenkassen die jährliche Höhe der Ansprüche des Klägers mitzuteilen, weil den Krankenkassen diese Höhe wegen der ihnen übertragenen Berechnung und Auszahlung bekannt gewesen sei. Dies ließe den Informationsanspruch gegen die Beklagte nicht entfallen. Die rechtlich nicht zu beanstandende Übertragung der Auszahlung des Übergangs- und Verletztengeldes von der Beklagten auf die jeweils zuständige Krankenkasse des Klägers betreffe nur das Binnenverhältnis zwischen der Beklagten und den Krankenkassen in deren Doppelfunktion als Beauftragte und Einzugsstellen. Nicht eingeschränkt werden könne der in § 28 a Abs. 5 SGB IV ausdrücklich normierte Informationsanspruch des Klägers gegen die Beklagte. Die Beklagte bleibe dem Kläger gegenüber leistungsverpflichtet. Erfülle die von ihr mit der Leistungserbringung beauftragte Krankenkasse die Pflichten aus dem Beauftragungsverhältnis, wirke dies zwar auch für die Beklagte. Sei dies jedoch nicht der Fall, bleibe die Beklagte der Anspruchsgegner, gegenüber dem dieser seine Ansprüche aus dem Arbeitsunfall vom 30. September 1997 geltend zu machen habe. Die zwischen der Beklagten und den Krankenkassen bestehenden Vereinbarungen (Verwaltungsvereinbarung über das Verfahren zur Entschädigung bei Einzelaufträgen der Unfallversicherungsträger nach § 189 SGB VII i. V. m. § 88 SGB X; Generalauftrag betreffend die Erbringung von Verletztengeldzahlungen) könnten nur die Rechtsbeziehungen zwischen den Vertragspartnern, also zwischen Berufsgenossenschaft und Krankenkasse, regeln. Nicht Gegenstand eines solchen Vertrages seien Rechte Dritter. Denn ein solcher Vertrag könne als Vertrag zu Lasten Dritter nicht gesetzlich begründete Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte ausschließen.

Gegen dieses ihr am 07. November 2006 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung vom 05. Dezember 2006. Das Sozialgericht habe das System der Meldungen bzw. Bescheinigungen bei der Bewirkung von Entgeltersatzleistungen an versicherungspflichtige Personen durch Unfallversicherungsträger verkannt. Auch eine nur subsidiäre Auftraggeberpflicht des Unfallversicherungsträgers zum Selbsttätigwerden bestehe nicht. Die beauftragten Krankenkassen hätten ihre Melde- und Informationspflichten als eigene Pflichten zu erfüllen. Die Unfallversicherungsträger seien in diesem Zusammenhang nicht meldepflichtige Körperschaften des öffentlichen Rechts.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. September 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf den Inhalt des seiner Auffassung nach zutreffenden Urteils.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

Mit Beschluss vom 10. Dezember 2008 hat das Landessozialgericht die BKK der Partner (Beigeladene zu 1), vormals Curania BKK, sowie die Taunus BKK, jetziger Rechtsnachfolger: BKK Gesundheit (Beigeladene zu 2.), zum Rechtsstreit beigeladen.

Mit Schreiben vom 29. Januar 2010 hat die BKK Gesundheit als Rechtsnachfolgerin der Taunus BKK an den Kläger die erstrebten Jahresmeldungen für die Zeit vom 01. Mai 2004 bis 18. Januar 2005 erteilt. Der Kläger und die Beklage haben den Rechtsstreit insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2010 übereinstimmend für erledigt erklärt. Die BKK der Partner hat sich bisher nicht in der Lage gesehen, eine entsprechende Bescheinigung zu erteilen, sie hat sich auch gegenüber dem Landessozialgericht nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten Bezug genommen. Diese haben im Termin vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet, denn das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte trotz der mit den Krankenkassen geschlossenen Verwaltungsvereinbarungen dem Kläger gegenüber verpflichtet bleibt, ihn über die ihm zustehenden und ausgekehrten Leistungen im Rahmen der Meldepflichten nach §§ 28 a ff. SGB IV i. V. m. der DEÜV zu informieren. Denn die Verwaltungsvereinbarungen betreffen, wie das Sozialgericht Berlin zu Recht ausgeführt hat, nur das Verhältnis zwischen den Krankenkassen und den Berufsgenossenschaften. Sie regeln entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, welche Ansprüche der Kläger gegen die Krankenkassen und Berufsgenossenschaften geltend machen kann.

Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus § 28 a Abs. 5 SGB IV i. V. m. § 38 Abs. 5 DEÜV. Danach hat der Meldepflichtige der zu meldenden Person den Inhalt der Meldung in Textform mitzuteilen (§ 28 a Abs. 5 SGB IV). Nach § 38 Abs. 5 DEÜV hat die meldende Stelle dem Versicherten bis zum 30. April eines Jahres eine Bescheinigung über den Inhalt der Meldungen des vergangenen Jahres zu erteilen.

Dabei kann der Senat es dahinstehen lassen, ob diese Bescheinigung als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist (so wohl Seewald in Kasseler Kommentar vor § 28 a Rdnr. 6) oder nicht. Denn für die hier allein zur Entscheidung stehende Problematik, ob die Beklagte oder die Krankenkasse die Bescheinigung über den Inhalt der Meldung für den Kläger zu fertigen hat, ist die Frage nach dem Vorliegen eines Verwaltungsaktes unerheblich. Prozessual war die Klage schon deshalb zulässig, weil die Beklagte die Erteilung der Information über die Meldung in Form eines Verwaltungsaktes abgelehnt hat. Es begegnet selbst bei Bejahung der Erforderlichkeit eines Verwaltungsaktes keinen Bedenken, wenn das Sozialgericht im Hinblick auf die so genannte Jahresmeldung von einer sachdienlichen Klageänderung ausgeht (§ 99 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Denn die Beklagte hat sowohl im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2005 als auch im gesamten Verfahren keinen Zweifel daran gelassen, dass sie die begehrte Information über die Jahresmeldung nicht erteilen werde.

Aus § 38 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 DEÜV, der die Information über die gemeldeten Sozialdaten regelt, wird auch für § 28 a SGB IV ausreichend deutlich, dass meldepflichtig der die Sozialleistung erbringende Träger ist und dieser der zu meldenden Person den Inhalt der Meldung mitzuteilen hat.

An dieser Pflicht der Beklagten, über den Inhalt der Meldungen zu informieren, ändert sich durch die mit den Krankenkassen geschlossenen Vereinbarungen nichts (vgl. hier die "Verwaltungsvereinbarung über die Beauftragung der Krankenkassen durch die Unfallversicherungsträger zur Berechnung und Abführung der Beiträge für die Bezieher von Verletzten- oder Übergangsgeld aus der Unfallversicherung nach § 189 SGB VII i. V. m. §§ 88 ff. SGB X – VV Beiträge", dort die Nrn. 1.1.4 und 1.2.2, zitiert nach Lauterbach, Unfallversicherung, Sozialgesetzbuch VII, Band IV, Anhang IV Nr. 1 d).

Zum einen ist in Rechtsprechung und Literatur geklärt, dass Verwaltungsvereinbarungen zwischen Unfallversicherungsträgern und Krankenkassen über die Abrechnung und Auszahlung des Verletztengeldes im Streitfall nichts an der Passivlegitimation der Unfallversicherungsträger ändern (vgl. Leube in Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII, § 189 Rdnr. 6; Schmidt, SGB VII, Kommentar, 2. Auflage, § 189 Rdnr. 5; BSG, Breithaupt 1966, 666; BSGE 39, 24, 25). Entsteht Streit über die Höhe des Verletztengeldes, muss der Versicherte also Klage gegen den Unfallversicherungsträger und nicht gegen die Krankenkasse erheben. Schon aus diesem Grunde ist nicht ersichtlich, warum für die gesetzlich vorgeschriebene Information des Versicherten über die Meldung der von ihm bezogenen Leistungen etwas anderes gelten sollte. Zum anderen folgt dieses Ergebnis auch unmittelbar aus dem Gesetz. Denn § 89 Abs. 2 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) schreibt vor, dass der Auftraggeber durch den Auftrag von seiner Verantwortung für den Betroffenen nicht entbunden wird. Dem entspricht es, wenn in Absatz 1 der Vorschrift geregelt ist, dass Verwaltungsakte, die der Beauftragte zur Ausführung des Auftrags erlässt, im Namen des Auftraggebers - hier also der Beklagten - erfolgen.

Soweit die Beklagte sich im Verfahren wiederholt darauf berufen hat, dass die Krankenkassen die gesetzlichen Meldeverpflichtungen zu erfüllen hätten, da sie diese Aufgabe mit Abschluss der Verwaltungsvereinbarungen (s. o.) mit den Berufsgenossenschaften übernommen hätten, betrifft dies nicht den Kern der hier vorliegenden Problematik. Ohne Zweifel sind die Einzugsstellen verpflichtet, den übrigen Sozialleistungsträgern, hier der gesetzlichen Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung, die notwendigen Meldungen über die bezogenen Entgeltersatzleistungen zu erstatten. In diesem Zusammenhang hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, dass die sonst erforderliche förmliche Meldung des Sozialleistungsträgers an die Einzugsstellen nach § 28 a SGB IV vorliegend entfallen kann, da die Einzugsstellen mit der Berechnung und Auszahlung der Sozialleistung Verletztengeld befasst sind (Verwaltungsvereinbarung über die generelle Beauftragung der Krankenkassen durch die Unfallversicherungsträger zur Berechnung und Auszahlung des Verletztengeldes nach § 189 SGB VII i. V. m. §§ 88 ff. SGB X - VV Generalauftrag Verletztengeld - , zitiert nach Lauterbach a.a.O.) und es nicht erwartet werden kann, dass sie eine förmliche Meldung an sich selbst erstatten.

Die Beklagte verkennt aber, dass diese rechtlichen Verhältnisse zwischen ihr und den Krankenkassen nichts mit der Frage zu tun haben, welche Informationsansprüche über die erteilten Meldungen der Kläger geltend machen kann. Über die Frage, wer eine Meldung an die Einzugsstelle oder den betroffenen Sozialleistungsträger (Renten- oder Arbeitslosenversicherung) zu erstatten hat, wäre nur zu richten, wenn der Kläger verlangen würde, dass gerade die Beklagte die Meldungen an die Rentenversicherung und die Arbeitslosenversicherung vornimmt und eben nicht - wie in den Verwaltungsvereinbarungen geregelt - die Krankenkasse als Einzugsstelle und Beauftragte der Beklagten. Darum geht es dem Kläger aber nicht. Der Kläger wendet sich nicht dagegen, dass die zuständige Krankenkasse die Meldungen an die Rentenversicherung und die Arbeitslosenversicherung weitergibt (vgl. das Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 24. Februar 2010), sondern dagegen, dass er bisher weder von der Krankenkasse noch vom Unfallversicherungsträger eine Bescheinigung über die von ihm bezogenen Entgeltersatzleistungen erhalten hat, obwohl das Gesetz dies ausdrücklich vorschreibt.

Betreffend den hier noch streitigen Zeitraum vom 05. Juli 2000 bis 30. April 2004 ist der Anspruch auch nicht erfüllt. Auch der Senat teilt die Auffassung der Beklagten, dass diese nicht mehr in Anspruch genommen werden kann, wenn die Krankenkasse den Anspruch erfüllt hat. Insoweit wirkt die Erfüllung auch zugunsten der Beklagten. Dies bestreitet der Kläger aber nicht, da er nach Erteilung der begehrten Bescheinigung durch die Beigeladene zu 2. das Verfahren insoweit für erledigt erklärt hat.

Eine Erfüllung liegt entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht in der von der Beigeladenen zu 1. unter dem 14. Februar 2004 übersandten "softkopy" der Übermittlung der Meldung an den Rentenversicherungsträger. Das Gesetz schreibt die Textform vor und nicht einen für den Laien nicht lesbaren Ausdruck über eine elektronische Datenübermittlung.

Entgegen der Auffassung der Beklagten waren auch keine weiteren Amtsermittlungen darüber anzustellen, ob der Kläger entgegen seinem Vortrag bereits eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Bescheinigung erhalten hat. Dem Schreiben der Beigeladenen zu 1. vom 14. Februar 2004 war mit ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass sie nichts anderes erteilen konnte als die nicht lesbare "softkopy" der Datenübermittlung. Da die Beigeladene zu 1. trotz Übersendung der Gerichtsakte in Kopie unter dem 19. November 2009 keine Stellungnahme abgegeben hat, bestand für den Senat kein Anlass, ihre bisherigen Angaben anzuzweifeln. Insoweit hatte der Senat auch keine Veranlassung, die Erklärung der Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung in Zweifel zu ziehen, dass die begehrte Bescheinigung von der Beigeladenen zu 1. bisher nicht erteilt worden sei.

Damit steht fest, dass die Beklagte Informationsansprüche nach § 28 a Abs. 5 SGB IV zumindest dann zu erfüllen hat, wenn, wie im vorliegenden Fall, die beauftragte Krankenkasse über die Dauer von nun fast 10 Jahren nicht in der Lage war, die begehrte Bescheinigung zu erteilen. Insoweit wird die Beklagte ihrer Verantwortung für den Versicherten auch dadurch nicht gerecht, dass sie die zuständige Krankenkasse an die Erfüllung ihrer Pflichten erinnert hat. Dies mag zunächst ein zulässiges Verfahren sein, um die Krankenkasse zur Erfüllung der in der zitierten Verwaltungsvereinbarung übernommenen Pflichten zu veranlassen. Führt dieses Verfahren allerdings wie im vorliegenden Fall nicht zum Erfolg, so hat die Beklagte geeignete Maßnahmen zu treffen, die Krankenkasse zur Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten oder aber diese ihr obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen selbst zu erfüllen.

Soweit die Beklagte sinngemäß vorgetragen hat, den geltend gemachten Informationsanspruch über die Meldung schon deshalb nicht erfüllen zu können, da sie selbst nichts an Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung gemeldet habe, folglich auch nicht darüber informieren könne, verkennt sie die in § 28 a SGB IV und § 38 DEÜV geregelten Verantwortlichkeiten. Danach kann es keinem ernsthaften Zweifel unterliegen, dass die Beklagte verpflichtet ist, betroffene dritte Sozialleistungsträger über die von ihr bewilligten Sozialleistungen, soweit diese nach den zitierten Vorschriften meldepflichtig sind, zu unterrichten. Über diese Meldungen hat sie sodann den Kläger zu informieren. Der Abschluss von Verwaltungsvereinbarungen nach §§ 88 ff. SGB X i. V. m. 189 SGB VII bedeutet nichts anderes als die Einschaltung von "Erfüllungsgehilfen" zur Erfüllung eigener Rechtsverpflichtungen. Sie entbindet weder von den eigenen Pflichten noch von der Haftung für das Handeln des eingeschalteten "Erfüllungsgehilfen". Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz (vgl. § 278 BGB) findet seine Kodifizierung auch im Sozialverfahrensrecht. § 89 Abs. 2 SGB X lautet daher eindeutig:

"Durch den Auftrag wird der Auftraggeber nicht von seiner Verantwortung gegenüber dem Betroffenen entbunden."

Im Rahmen dieser Verantwortlichkeit kann die Beklagte auch im jetzigen Verfahrensstadium noch darüber entscheiden, ob sie geeignete Maßnahmen einleitet, um die Beigeladene zu 1. zur Erfüllung der vertraglich übernommenen Pflicht anzuhalten, oder ob sie die ihr gesetzlich obliegende Pflicht selbst erfüllen will. Für die Erfüllung der Informationspflicht dem Kläger gegenüber ist die Beklagte ohne weiteres zuständig.

Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten (§ 193 SGG).

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe nach § 160 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.

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